{{:: 'cloudflare_always_on_message' | i18n }}

RAF 3.0 im Genius-Interview

RAF im Interview über sein zum damaligen Zeitpunkt frisch erschienenes Album ”RAF 3.0", literarische und musikalische Einflüsse und die Liebe zum Produzieren.

Nach dem Erscheinen deiner eher depressiven Alben fühlst du dich oftmals besser. Dein Album ist zwar erst ganz frisch draußen, wie fühlt sich das denn bis jetzt an?

Es fühlt sich sehr gut an. Ich bin in so einer Phase, in der ich noch nicht wirklich realisiere, was gerade passiert. Also die ersten Zahlen waren überwältigend, wir hätten alle nicht damit gerechnet. Vor allen Dingen weil ich jetzt gerade auf Tour bin, kann ich das alles noch gar nicht so richtig begreifen. Ich denke mal, nach der Tour werde ich das alles erstmal auf mich wirken lassen.

“Überwältigende Zahlen”, kannst du da schon mehr zu sagen?

Ich hab' absichtlich noch nichts gesagt. Viele Leute posten gleich die Trends und die sind ja bekanntlich immer höher als die tatsächliche Chartposition. Weil die Fans auch gar nicht wissen, wie das genau funktioniert, will ich nicht erst eine hohe Zahl und danach eine etwas niedrigere Zahl posten, das würde die Leute vielleicht enttäuschen.

Im “Malaga-Interview” sagt KD-Supier, mit dem du am Album gearbeitet hast, dass deine Familie sehr musikalisch ist.

Das stimmt. Meine Mutter war Opernsängerin, in der Familie von meinem Vater war es quasi Pflicht für jedes Kind ein Instrument zu lernen von klein auf. Das heißt, ich bin damit natürlich aufgewachsen. Meine Schwester, ich, meine ganze Familie war immer in Musikschulen.

Du warst mit 12 schon in Bands. Welche Instrumente hast du gespielt?

Ich war in verschiedenen Bands. In einer war ich Gitarrist und Sänger, in einer war ich Bassist, in einer anderen war ich Schlagzeuger, in einer anderen war ich Keyboarder… also ein bisschen von allem.

Gerade an Gitarrensounds sitzt du besonders lange als Producer. Wieso bist du da so perfektionistisch?

So krass perfektionistisch bin ich eigentlich nicht. Wir skippen einfach nur ganz ganz viele Sounds durch und bleiben dann meistens bei einem Ding hängen. Das Problem ist immer, dass wir danach dann nicht wirklich damit zufrieden sind und dann wieder weiter rumskippen. Sounds suchen wir halt lange. Es ist nicht so, dass wir dann einen Sound nehmen und an dem hundert Stunden rumschrauben, sondern eher, dass wir lange suchen bis wir den passenden Grund-Sound gefunden haben.

“Wir”, das sind…

KD-Supier und ich.

Im “RAF 3.0”-Booklet sieht man, dass ihr die meisten Sachen zu zweit produziert habt. Ulrike Hauptmann, Tamaki Kawakubo, die ja auch schon etwas bekannter ist, wie ich bei Wikipedia gelesen habe und Michael Barenboim, der quasi ein Youngster in der Klassik-Szene ist. Wie kommst du auf diese Künstler?

Naja, Michael Barenboim ist ja der Bruder von KD-Supier und der hat dann quasi seine Kumpels mitgebracht. Also es ist eigentlich alles über KD gekommen, ich kannte davon keinen.

Du legst aber schon wert darauf, dass es richtige Künstler sind und nicht alles aus dem Computer kommt, richtig?

Also sagen wir so, es gibt ja auch Künstler, die mit dem Computer gerne Musik machen. Ich leg' halt in erster Linie Wert darauf, dass es einfach Künstler sind, egal wie sie es machen. Bei Kunst geht geht es darum, dass jemand etwas kann, egal mit welchem Instrument. Computer sind ja auch Instrumente.

Du “schüttest deinen Senf gerne über Produktionen”, hast gerne deine Finger im Spiel. Meinst du, dass du teilweise bei Produktionen unangenehm bist, weil du dickköpfig bist?

Ich weiß es nicht, das musst du KD fragen. Also ich glaube nicht… dickköpfig bin ich gar nicht, ich bin eher ein Kontrollfreak, was das angeht. Ich will halt immer sehen, was da passiert. Aber dickköpfig… wenn mir zum Beispiel etwas nicht gefällt, aber dem anderen schon, muss ich meine Meinung glaube ich nicht unbedingt durchsetzen. Wenn es mir nicht gefällt, dann bringen wir es halt einfach nicht raus. Ich ergebnisorientiert. (lacht)

Produzieren hast du im Falk-Interview auch relativ weit oben angesiedelt. Was würdest du als deine wichtigste Produktion bezeichnen?

“3.0” – das Album und meine erste Produktion in Deutschland, das war “Eure Kinder” von Chakuza und Bushido auf dem Album “City Cobra”. Dann waren die Alben von D-Bo die ersten Sachen, die ich wirklich als Executive Producer gemacht habe. Das war auf jeden Fall etwas Prägendes und danach “Artkore”. Das waren meine Babys sozusagen.

Also würdest du keine speziellen Lieder nennen, sondern eher ganze Projekte?

Also am aufwendigsten waren auf jeden Fall die 3.0-Songs. Sonst würde mir jetzt nichts einfallen, was noch aufwendiger war als das.

Abgesehen von der Temperatur, Unterschiede zwischen Wien und Berlin?

Berlin ist der große, böse Bruder von Wien. Es sieht sich ähnlich, nur Berlin ist halt ein bisschen dreckiger, aber dafür gibt es halt mehr junge Leute und es geht mehr ab als in Wien. Und ich fühle mich in Berlin freier.

Trotz der Freiheit musst du jetzt trotzdem umziehen.

Ja, auf jeden Fall. Ich habe zu oft Fans vor der Tür, die läuten. Das ist halt schon ein bisschen belastend, wenn du gerade in Unterhose rumläufst… sagt man in Deutschland Unterhose? (lacht)

Schlüpper kann man auch sagen! Themawechsel: Bester Freund Nazar. In der Juice steht, du hättest ihn mit 17 kennengelernt, dann erst wieder mit 20 gesehen. Wie ist das abgelaufen?

Wir kennen uns länger als mit 17. Keine Ahnung, seitdem ich in Diskotheken gehe. Er hat dann angefangen Rap zu machen, dann sind wir wieder in Kontakt gekommen. Nazar ist dann damals zu mir in den 10. Bezirk gekommen und meinte: “Hör dir das mal an!” und ich meinte “Boah, krass, Alter! Dass ein Typ wie du mit Rap anfängt.” Und so ist das entstanden. Wir kannten uns aber schon sehr lange vor der Musik.

Du hast Tontechnik studiert und noch einen Bachelor in Musikbusiness gemacht. Wann hast du das denn noch gemacht?

Nebenbei, also den Bachelor hab' ich vor einem Jahr fertig gemacht und als ich nach Berlin gezogen bin, habe ich dieses Diplom in Tontechnik gemacht. Das war 2007.

Häufig werden dir Fragen gestellt bzw. Vorschläge gemacht: “Würdest du mit dem oder dem zusammenarbeiten?”. Du sagst da auch schon häufig “Ne, mach ich nicht, weil es passt einfach musikalisch nicht.” Hast du denn irgendwen, vielleicht auch vom Rap abgesehen, mit dem du gerne zusammenarbeiten würdest?

Mit Mavado würde ich gerne einen Song machen und Tairo aus Frankreich, obwohl der auch schon wieder weg vom Fenster ist. Aber sonst fällt mir eigentlich keiner ein.

Apropos Frankreich, ein Song der mich an “On controle la zone” von Booba erinnert ist “In meiner Zone”…

Ich hatte für “In meiner Zone” eigentlich gar keine Inspiration. Das Lied habe ich in Barcelona am Strand geschrieben. Das war noch vor Boobas “Autopsie Vol. 3” … glaube ich. Aber auf gar keinen Fall war das die Inspiration für mein Lied.

Bleiben wir mal beim französischen Rap. Du sagst auch im Interview, dass es deutschen Rap für dich damals gar nicht gab. Welche französischen Rapper haben dich denn da beeinflusst?

Salif, Soprano und Booba. Das waren eigentlich die drei Rapper, die mich beeinflusst haben. Dann gab es Raggasonic, das waren so Ragga-Typen aus Frankreich. Die haben mich auch auf jeden Fall beeinflusst und Tairo, das ist auch ein Sänger.

Was hörst du jetzt noch an französischem Rap?

Puh… leider hat sich der französische Rap zu amerikanischem Rap in französischer Sprache entwickelt. Also der hat nicht mehr diese eigene Identität, die er damals hatte. Fonky Family zum Beispiel habe ich vergessen, auch ein großer Einfluss. Das gibt es eigentlich nicht mehr wirklich. Aber so die ganzen Leute, wie Tandem, NTM, Lunatic, das war so richtig französischer Rap, aber das gibt’s halt nicht mehr. Das ist alles amerikanisiert worden, leider Gottes.

Dafür sagst du, dass du im deutschen Rap alles hörst…

Ich höre alles, aber ich höre privat nichts. Also es ist nicht so, dass ich in meiner iTunes-Playlist irgendeinen deutschen Rapper habe. Das kann ich nicht hören, weil mich das viel zu viel mit meiner Arbeit verbindet. Dadurch, dass dieses Rap-Ding quasi meine Arbeit ist. Wenn ich Musik höre hab' ich halt Bock die Arbeit auszublenden, deshalb höre ich keinen Deutschrap. Da denk ich dann sonst “Ah.. mein Album…und bla bla bla”. Da höre ich mehr entspannende Musik.

Themen, die sich durch dein Album ziehen, sind: die negativen Auswirkungen von Überwachung, Materialismus, übermäßigem Konsum etc. Die Bücher “1984” von George Orwell und Aldous Huxleys “Schöne neue Welt” behandeln ähnliche Themen. Haben die eine Rolle gespielt oder sind die Überschneidungen rein zufällig?

Ich habe “1984” gelesen, aber das ist sehr sehr lange her. Also hat mich das eigentlich nicht direkt beeinflusst und das andere habe ich nie gelesen. Es hat mich also nicht wirklich beeinflusst, es waren meine eigenen Gedankengänge, wenn du so willst. Man muss keine Bücher lesen und dadurch die Inspiration nehmen, weil man sieht es ja jeden Tag. Wir leben ja quasi in diesem Buch.

Im Song “Sklave” erwähnst Du unter anderem “Pyramiden-Systeme” und sprichst von “Zeitgeist” – eine Filmreihe von Peter Joseph. Wie stehst du zu diesen Dingen?

Das Problem ist, es gibt immer zwei Seiten: Die Leute, die darin eine Verschwörung sehen, daran wirklich glauben und dadurch Sklaven sind. Weil sie eben wirklich glauben, dass es einen Menschen ab der Spitze gibt, der das alles regiert.
Also zum einen bist du Sklave von dem Gedanken und zum anderen kannst du auch der Sklave sein, der von diesem Ding in diese Schublade gesteckt wird. Das heißt, du hast immer die beiden Kehrseiten. Das ist genauso wie wenn du einen Brunnen ansiehst. Wenn du ihn von oben siehst, siehst du das Wasser, alles sehr klar, wie es läuft. Wenn du es von unten siehst, siehst du nur Moos und irgendwelche Tropfen, die da runterrinnen. Das heißt du hast immer die zwei Seiten.
Das andere was du angesprochen hattest war “Zeitgeist”, da ist es dasselbe. Entweder du glaubst es und fickst deinen Kopf und gehst richtig krass drauf ab oder du bist halt kein Sklave davon. Aber im Endeffekt musst du, um Sklave von “Zeitgeist” zu sein, muss dich das halt flashen, sonst bist du frei.

Auch der Glaube vom möglichen Weltuntergang Ende 2012 hat Einzug in dein Album gehalten. Glaubst du an den Untergang oder ist das eher Ironie?

Das ist ein Ding, mit dem ich ein bisschen spiele, weil jeder darüber redet. Es kann natürlich sein, dass es passiert. Aber auch wenn 2012 die Welt untergeht, ich bin zufrieden, ich hab' gut gelebt, soll diese Welt untergehen – ist mir egal. Mir würd’s nur Leid tun um jüngere Leute, die vielleicht noch nicht ihr Leben gelebt haben. Mir selber wär’s scheißegal, wenn diese Welt untergeht.

In manchen Interviews heißt es, dass “RAF 3.0” ein fröhliches Album sei, aber gerade diesen Themen und auch andere Songs sind eher negativ.

Klar, ich habe kein einziges fröhliches Lied von wegen “Es geht mir so gut”. Aber die Musik, die Beats sind halt fröhlicher als bei Raf Camora, weil da sind es ja tieftraurige Beats.

Im Making-Of zu MoTrips Album “Embryo” bist du hinter den Kulissen zu sehen, drängst dich aber nicht stark in den Vordergrund. Gab es solche Zusammenarbeiten mit Künstlern schon vorher, bei denen du dezent beim Schaffungsprozess dabei warst, man das aber nicht unbedingt mitbekommen hat?

Naja, ich hab' alle Alben von D-Bo geschrieben (der mit am Tisch sitzt Anm. d. Red.). Ne, Spaß (lacht). Im Endeffekt gab es natürlich viele Sachen. Früher bei Beatlefield war ich halt auch im Hintergrund irgendwo dabei und hab' alles mitbekommen, ein bisschen da mitgespielt. Aber überall wo ich meine Finger im Spiel hatte, ist mein Name auch drauf. Ich habe eigentlich nie so Undercover-Arbeiten gemacht, wo gar nichts von mir zu hören oder zu sehen war. Es wurde also immer honoriert.

Sind solche Projekte denn in Zukunft geplant?

Ich hab' jetzt gerade wirklich keine Zeit dafür. Ich würde es gerne machen, es macht mir sehr viel Spaß Produzent zu sein, Executive Producer und so, aber gar keine Zeit zurzeit-Leider.

Auch ein bekannter Produzent und ein Album in eine ganz andere Richtung hat damals Kanye West mit “808 & Heartbreaks” gemacht. Auch bei dir ist die 808 sehr beliebt und sehr viel “Heartbreak” im Spiel…

Also der Vergleich von mir und Kanye West ist natürlich ein sehr schmeichelhafter Vergleich. Im Endeffekt ist er aber gegen mich nichts! Spaß! (grinst) Das coole bei ihm ist, dass er einfach seinen Film fährt, so wie er will. Ich muss sagen dieses “808 & Heartbreaks” war mir schon zu viel effektierte Stimme, zu viel nur diese 808s… Also kann man eigentlich nicht mit meinem Album vergleichen, außer, dass ich auch 808s drinhab. Aber ich glaube ich habe auch andere 808s drin als Kanye.

Um dich aus der Juice zu zitieren: „Unsere Generation schläft vor dem Rechner ein – oder mit dem iPhone in der Hand, wir sind selbst im Schlaf noch online“ Kannst du dich davon freimachen?

Ne. Also ich schlafe sowieso eigentlich fast gar nicht. Ich bin so ein Typ, der einfach große Schlafstörungen hat und nicht viel schläft und das erste, was ich mache, sobald ich aufwache, ist natürlich, dass ich aufs iPhone gucke. Im letzten Jahr habe ich Lesen wieder für mich entdeckt und das ist auf jeden Fall eine Sache, die mich beruhigt bevor ich schlafe. Aber wie gesagt, ich mach' mich da selber nicht frei von, weil mich das selbst im Griff hat, diese ganze digitale Scheiß-Welt.

Was liest du abends?

Ich lese viel Paulo Coelho und auf französisch Guy de Maupassant. “Der Horla” heißt das. Diesen Band “Der Horla und andere fantastische Geschichten” habe ich glaube ich schon gut zehn Mal gelesen und les' ich immer wieder. Japanische Literatur lese ich auch, zum Beispiel “Kunst des Krieges” oder “Der Weg des Samurais” – Hagakure. Und ab und zu “Lustige Taschenbücher”. (lacht)